Initiativen sollen kompetent sein – bloss wohlgemeint genügt nicht

«Entscheidend ist, ob [eine] Initiative ein tatsächliches Problem identifiziert und dieses gegebenenfalls lösen könnte.»
Lorenz Langer in: «Richterliche Unabhängigkeit und demokratische Legitimation», NZZ 22.8.18

Die Grundeinkommensinitiative war leider nicht kompetent, bei weitem nicht, sie blieb im «esoterisch künstlerisch Philosophischen» stecken – kein Wunder, dass sie bloss einen von zehn Menschen erreichen konnte

Die NZZ-Kritik «Bedingungsloses Grundeinkommen: Viel Beachtung für einen Nonvaleur»1) von Marcel Amrein kann man entweder als «von oben herab» geschrieben lesen. Oder aber, und dann wird’s interessanter, als «aus Enttäuschung und Verwunderung heraus» geschrieben verstehen.

Denn, so lernen wir es in unseren Schulen und im Leben nach und nach, auch eine Initiative soll kompetent sein – sei sie eine Volks- oder eine parlamentarische. Doch diese Volksinitiative war es nicht – hier etwas mehr dazu, auf diesen Seiten: «Volksinitiativen sollen kompetent sein».

Klar, in unserer Demokratie, die ja einiges verträgt, kann man eine Initiative auch miss-/brauchen, sei es zum «Poltern» oder – wie hier – um «Impulse zu setzen».
Man muss sich aber nicht wundern, dass 6 von 10 Stimmberechtigten den Zettel beiseite legten, und bloss 1e/r von den verbleibenden 4 den «Impuls» angenommen hat.

Doch – es zu feiern? Für die Initianten/toren (CH/D) mag der/die Eine von zehn ein Erfolg sein – sie holten ja die Gefühle von jedem/r Zehnten ab..
Egal,2) dass sie all das – zu dieser über hundertjährigen Idee – unbedingt Dazugehörende nach wie vor, so konsequent, ausblenden. Egal, dass neun Menschen vonzehn ihr, im «künstlerisch Philosophischen» stecken gebliebene, Ansatz nicht überzeugen konnte.

Kuriose Aufmerksamkeit, die der Initiative vom Ausland zuteil wurde – wundert sich Marcel Amrein ein bisschen.1)
Was man von all dem unseren Geschehen auch schon beachtet – und wo auch immer in der Welt – es ablehnt oder feiert, bleibt den aufmerksamen Auslegenden vorbehalten.
Je weiter weg, desto verwunderlicher mag die Auslegung sein – je nachdem was man in das Geschehen bei uns hinein interpretieren und projizieren mag.3)

Übrigens – guter, treffender Titel, «Viel Beachtung für einen Nonvaleur».1) Nonvaleur für’s wahre Leben, wo man Ideen ins Leben setzt – mit all den anderen, wie bei uns. Und kompetent. Das ist die wahre Kunst im Leben.

Und ja, auch eine Volksinitiative soll kompetent sein:-)

Herzliche Grüsse,
Vladimir Rott


1) Marcel Amrein: «Bedingungsloses Grundeinkommen: Viel Beachtung für einen Nonvaleur – Erwartungsgemäss hatte die Grundeinkommen-Initiative keine Chance: Sie holte einen Ja-Stimmen-Anteil von 23,1 Prozent.1a) Umso kurioser scheint die Aufmerksamkeit, die ihr vom Ausland zuteil wurde», nzz.ch 5.6.16
und Leserkommentare dazu (unter dem Artikel)

1a) die Stimmbeteiligung bei dieser Vorlage, einer von 5 eidgenössischen in diesem Quartal, war 46.4% – zurzeit noch provisorische Ergebnisse, die definitiven sind, nach Erfahrung, jeweils gut 2 Monate nach den Abstimmungen verfügbar und können leicht von den provisorischen abweichen, siehe Statistik Schweiz: Eidgenössische Volksabstimmungen 2016 (bfs.admin.ch)

2) egal…? eigentlich schade, jammerschade

3) klar, so geht’s den anderen auch:-)

Volksinitiativen sollen kompetent sein

«Entscheidend ist, ob [eine] Initiative ein tatsächliches Problem identifiziert und dieses gegebenenfalls lösen könnte.»
Lorenz Langer in: «Richterliche Unabhängigkeit und demokratische Legitimation», NZZ 22.8.18

Modernes Grundeinkommen heisst – modernes Sozialsystem, integriertes Steuertransfermodell, mit Wertschöpfungssteuer, sagt Thomas Straubhaar

Was ich bei der Eidgenössischen Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen»1) so vermisst habe, zählt nun – mitendrin der Abstimmungswochen und dann nochmals knapp vor ihrem Ende – Thomas Straubhaar in seinem Artikel auf:
moderne Sozialsysteme
integrierte Steuertransfermodelle
– mit Wertschöpfungssteuer.

Auch wenn bloss stichwortartig, ohne dass er auf Gründlicheres eingeht, wo’s wirklich interessant sein könnte. Schade. Schade, dass sich da ein Ökonom ausklinkt, notabene, wenn er sich selbst zum Thema gemeldet hat. Link zum Artikel, auf welt.de und zeit.de – und Auszug der Schluss- und Schlüsselsätze daraus – hier unten.2)

Doch, was legten die schweizerischen Initianten, und ihre deutschen Freunde, den Stimmberechtigten der Schweiz vor? Einen «Impuls» bloss. Schade.

Volksinitiativen sollen kompetent sein – ist ja klar, sonnenklar. Ein bloss «esoterisch künstlerisch-philosophischer» Ansatz genügt bei weitem nicht. Doch, und konsequent, haben sich die Initianten/toren (CH/D) an ihm festgehalten, durch alle die Jahre.1) Und so haben sie, konsequent, sein Scheiten in der Volksabstimmung vorprogrammiert.3)

Schade um die Volksinitiative. Was nun?

Einfach dranbleiben – aber kompetent – an dieser über hundertjährigen Idee. Und an dieser noch älterer Vision.

Hoffentlich machen’s die nächsten Initianten besser – oder vielleicht auch die Initiatoren, nördlich des Rheins. Oder das Parlament – das, bei uns, südlich des Rheins, gemeinsam mit allen anderen arbeitet, also arbeiten soll und kann.

Herzliche Grüsse,
Vladimir Rott


1) Eidgenössische Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen», auf admin.ch – auch «Grundeinkommen Initiative»

2) Thomas Straubhaar: «Grundeinkommen: Wer hat Lust auf Arbeit?», zeit.de, 2.6.16 / «Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen», welt.de, 17.5.16 – hier der Auszug, die Schluss- und Schlüsselsätze, daraus:

Ein Grundeinkommen könnte helfen

Ein soziales Sicherungssystem, das einseitig auf Beiträgen aus Lohneinkommen basiert, ist ein Anachronismus aus der Zeit der Industrialisierung und der ungebrochenen lebenslangen Erwerbsbiografien, als das Arbeitseinkommen des Mannes die wichtigste Quelle eines Familieneinkommens darstellte. Die Individualisierung hat das traditionelle Rollenverständnis und die Solidargemeinschaft der Familie infrage gestellt. Die Arbeitswelt von heute verursacht Brüche und erfordert Auszeiten zur Neuorientierung. Beiden Veränderungen muss ein modernes Sozialsystem gerecht werden. Und eine Verlagerung der Finanzierung der sozialen Sicherung von Lohnbeiträgen auf eine Wertschöpfungssteuer erfüllt genau diese Forderung.

Es ist kein großes Wunder, dass im Zeitalter der Digitalisierung die alte Idee eines Grundeinkommens weltweit neue Unterstützung erhält. Kein anderes Modell trägt als integriertes Steuertransfermodell aus einem Guss sowohl den Folgen der Digitalisierung wie den Wirkungen der Individualisierung Rechnung. [Bis am] Sonntag entscheiden die Schweizer in einem Referendum darüber.2a)

Wo und wie weit Roboter Menschen aus der Arbeit drängen werden, hängt von den Kostenunterschieden zwischen Löhnen und Maschinen ab. Und ob noch jemand Lust und Wille hat niedrig bezahlte, aber für die Gesellschaft wichtige Tätigkeiten auszuüben, wird von der Höhe eines Grundeinkommens abhängig sein. Je höher das Grundeinkommen, umso höher müssen die Steuersätze zur Finanzierung sein und umso geringer dürften die Arbeitsanreize bleiben. So einfach funktionieren die Regeln der Ökonomik – auch im Zeitalter der Digitalisierung und auch bei einem Grundeinkommen.

2a) nein, eben nicht, nicht darüber, was TS hier in die Diskussion einbringt, denn…3)

Nachtrag

Im Februar 2017 stellte Thomas Straubhaar sein Buch «Radikal ger€cht – Wie das bedingungslose Grundeinkommen den Sozialstaat revolutioniert», das er für eine Stiftung schreib, in Der Zeit vor:

«Thomas Straubhaar: Das Grundeinkommen ist nichts anderes als eine Steuerreform – Das Grundeinkommen könnte Rente, Kinder- und Arbeitslosengeld ersetzen – wie eine negative Steuer, sagt der Ökonom Thomas Straubhaar in seinem neuen Buch. Ein Vorabauszug», von Thomas Straubhaar, Die Zeit, 12.2.17

Wer aber von Straubhaars Buch mehr erwartet als «gut Gefühltes» wird enttäuscht. Straubhaar meidet – für einen Ökonomen so spannenden – Modelle, in wesentlichen Voraussetzungen und ihren Zusammenhängen. Die ein Ökonom durchrechnen würde – mit Fakten und Zahlen, also gut überlegten Annahmen, die mögliche Entwicklungen und Auswirkungen aufzeigen würden. So müssen wir noch warten bis fundierte Ökonomen das, so wichtige, Thema anpacken – wäre ja auch allerhöchste Zeit.


3) ein «esoterisch künstlerisch philosophischer» Ansatz – genügt bei weitem nicht:

gfs-ger-data

dazu noch, auf Bundesebene in diesem Quartal, «Fortpflanzungsmedizingesetz» – Abstimmungsresultate siehe Statistik Schweiz: Eidgenössische Volksabstimmungen 2016 (bfs.admin.ch)