Lebendige Demokratie und ihre Hüter

Zum Interview von Fabian Renz mit Daniel Jositsch: So höhlen wir die direkte Demokratie aus, Der Bund, 11.10.16… …wie auch, wieder mal, zum Thema wer “hütet” wen und warum

Diesmal geht es um die Umsetzung des, von 50.3% Stimmberechtigten, 2014 knapp angenommenen Verfassungsauftrags der SVPMasseneinwanderungsinitiative, eines der Aufträge an unsere Politik, die wir in die Bundesverfassung schreiben, wenn wir sie in der Volksabstimmung annehmen.

Die Umsetzung ist ein spannender Prozess, einer der transparenten, partizipativen, offenen, kooperativen, inklusiven, direkten, einvernehmlichen, breit abgestützten, ausgleichenden Prozesse unserer Demokratie.1)

Doch mit dem Gebrauch – wenn nicht Missbrauch, wie oft kritisiert wird – der Volksinitiative als Machtmittel durch autoritäre, ideologisch belastete, populistische Gruppierungen, entsteht die Neigung, solche Aufträge als allein bestimmend zu betrachten. Was – wie denn anders – zu Konflikten, Auseinandersetzungen führt, die die konstruktive Umsetzung der Verfassungsaufträge belasten.

Daniel Jositsch, Jurist, SP-Politiker und Ständerat, schildert im Interview das Ringen um gute Lösungen in einer Demokratie, die durch ein hohes Mass an Beteiligung/Partizipation der Bürgerinnen und Bürger bereichert ist.

Ein Jurist in der Politik – kann er zum Politiker werden…?

Er bietet auch interessante Einsichten in das Dilemma eines Juristen in der Politik. Ein Dilemma, das sich aber ziemlich einfach lösen lässt – indem man die Enge des Fachgebiets verlässt und die “Musik” des, so faszinierenden, Lebens spielt. Zu dem auch unsere so lebendige Demokratie gehört.

…zu einem Politiker unserer Demokratie?

Jositsch findet auch, in seiner Suche nach Auswegen aus all’ den Dilemmas, dass es “sinnvoll wäre, die Gültigkeit von Initiativen zu prüfen, bevor die Unterschriften gesammelt sind. Sinnvoll wäre auch ein Verfassungsgericht. Es gibt juristisch heute keine Möglichkeit, einen Gesetzgeber an einem verfassungswidrigen Gesetz zu hindern.”

Müssten wir den Gesetzgeber wirklich versuchen zu hindern? Ich glaube nicht, denn Anliegen zu hindern, egal woher sie auch kommen, gehört nicht zu unserem Leben, zu unserer Demokratie in die ja alle eingebunden sind. Wir setzen uns mit ihnen auseinander, auch wenn es mühsam erscheinen mag.

Wir hüten uns selbst – auch das ist unsere Demokratie

Und wie wäre es mit einer Autorität, die über uns, unsere Verfassung wacht? Geht auch nicht, denke ich, denn die Verfassung schreiben wir – die Citoyennes, die Citoyens – ja mit. Und wir sind es auch – gemeinsam mit den von uns Gewählten – die unsere Verfassung hüten. Wir hüten uns ja selbst.

Das ist das Wesen unserer Demokratie. Wie auch all’ die transparenten, partizipativen, offenen, kooperativen, inklusiven, direkten, einvernehmlichen, breit abgestützten, ausgleichenden Prozesse, an denen wir – als freie, verantwortliche Citoyens und Citoyennes – so selbstverständlich teilhaben.

Vladimir Rott
Zürich + Berlin/Brandenburg


1) einen, guten, Einblick in diese Prozesse gibt u.a./z.B. Silvano Moeckli in seinem Beitrag Politische Willensbildung im HLS, Historischen Lexikon der Schweiz

Author: vjr

vjrott.com

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