Volksinitiativen sollen kompetent sein

«Entscheidend ist, ob [eine] Initiative ein tatsächliches Problem identifiziert und dieses gegebenenfalls lösen könnte.»
Lorenz Langer in: «Richterliche Unabhängigkeit und demokratische Legitimation», NZZ 22.8.18

Modernes Grundeinkommen heisst – modernes Sozialsystem, integriertes Steuertransfermodell, mit Wertschöpfungssteuer, sagt Thomas Straubhaar

Was ich bei der Eidgenössischen Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen»1) so vermisst habe, zählt nun – mitendrin der Abstimmungswochen und dann nochmals knapp vor ihrem Ende – Thomas Straubhaar in seinem Artikel auf:
moderne Sozialsysteme
integrierte Steuertransfermodelle
– mit Wertschöpfungssteuer.

Auch wenn bloss stichwortartig, ohne dass er auf Gründlicheres eingeht, wo’s wirklich interessant sein könnte. Schade. Schade, dass sich da ein Ökonom ausklinkt, notabene, wenn er sich selbst zum Thema gemeldet hat. Link zum Artikel, auf welt.de und zeit.de – und Auszug der Schluss- und Schlüsselsätze daraus – hier unten.2)

Doch, was legten die schweizerischen Initianten, und ihre deutschen Freunde, den Stimmberechtigten der Schweiz vor? Einen «Impuls» bloss. Schade.

Volksinitiativen sollen kompetent sein – ist ja klar, sonnenklar. Ein bloss «esoterisch künstlerisch-philosophischer» Ansatz genügt bei weitem nicht. Doch, und konsequent, haben sich die Initianten/toren (CH/D) an ihm festgehalten, durch alle die Jahre.1) Und so haben sie, konsequent, sein Scheiten in der Volksabstimmung vorprogrammiert.3)

Schade um die Volksinitiative. Was nun?

Einfach dranbleiben – aber kompetent – an dieser über hundertjährigen Idee. Und an dieser noch älterer Vision.

Hoffentlich machen’s die nächsten Initianten besser – oder vielleicht auch die Initiatoren, nördlich des Rheins. Oder das Parlament – das, bei uns, südlich des Rheins, gemeinsam mit allen anderen arbeitet, also arbeiten soll und kann.

Herzliche Grüsse,
Vladimir Rott


1) Eidgenössische Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen», auf admin.ch – auch «Grundeinkommen Initiative»

2) Thomas Straubhaar: «Grundeinkommen: Wer hat Lust auf Arbeit?», zeit.de, 2.6.16 / «Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen», welt.de, 17.5.16 – hier der Auszug, die Schluss- und Schlüsselsätze, daraus:

Ein Grundeinkommen könnte helfen

Ein soziales Sicherungssystem, das einseitig auf Beiträgen aus Lohneinkommen basiert, ist ein Anachronismus aus der Zeit der Industrialisierung und der ungebrochenen lebenslangen Erwerbsbiografien, als das Arbeitseinkommen des Mannes die wichtigste Quelle eines Familieneinkommens darstellte. Die Individualisierung hat das traditionelle Rollenverständnis und die Solidargemeinschaft der Familie infrage gestellt. Die Arbeitswelt von heute verursacht Brüche und erfordert Auszeiten zur Neuorientierung. Beiden Veränderungen muss ein modernes Sozialsystem gerecht werden. Und eine Verlagerung der Finanzierung der sozialen Sicherung von Lohnbeiträgen auf eine Wertschöpfungssteuer erfüllt genau diese Forderung.

Es ist kein großes Wunder, dass im Zeitalter der Digitalisierung die alte Idee eines Grundeinkommens weltweit neue Unterstützung erhält. Kein anderes Modell trägt als integriertes Steuertransfermodell aus einem Guss sowohl den Folgen der Digitalisierung wie den Wirkungen der Individualisierung Rechnung. [Bis am] Sonntag entscheiden die Schweizer in einem Referendum darüber.2a)

Wo und wie weit Roboter Menschen aus der Arbeit drängen werden, hängt von den Kostenunterschieden zwischen Löhnen und Maschinen ab. Und ob noch jemand Lust und Wille hat niedrig bezahlte, aber für die Gesellschaft wichtige Tätigkeiten auszuüben, wird von der Höhe eines Grundeinkommens abhängig sein. Je höher das Grundeinkommen, umso höher müssen die Steuersätze zur Finanzierung sein und umso geringer dürften die Arbeitsanreize bleiben. So einfach funktionieren die Regeln der Ökonomik – auch im Zeitalter der Digitalisierung und auch bei einem Grundeinkommen.

2a) nein, eben nicht, nicht darüber, was TS hier in die Diskussion einbringt, denn…3)

Nachtrag

Im Februar 2017 stellte Thomas Straubhaar sein Buch «Radikal ger€cht – Wie das bedingungslose Grundeinkommen den Sozialstaat revolutioniert», das er für eine Stiftung schreib, in Der Zeit vor:

«Thomas Straubhaar: Das Grundeinkommen ist nichts anderes als eine Steuerreform – Das Grundeinkommen könnte Rente, Kinder- und Arbeitslosengeld ersetzen – wie eine negative Steuer, sagt der Ökonom Thomas Straubhaar in seinem neuen Buch. Ein Vorabauszug», von Thomas Straubhaar, Die Zeit, 12.2.17

Wer aber von Straubhaars Buch mehr erwartet als «gut Gefühltes» wird enttäuscht. Straubhaar meidet – für einen Ökonomen so spannenden – Modelle, in wesentlichen Voraussetzungen und ihren Zusammenhängen. Die ein Ökonom durchrechnen würde – mit Fakten und Zahlen, also gut überlegten Annahmen, die mögliche Entwicklungen und Auswirkungen aufzeigen würden. So müssen wir noch warten bis fundierte Ökonomen das, so wichtige, Thema anpacken – wäre ja auch allerhöchste Zeit.


3) ein «esoterisch künstlerisch philosophischer» Ansatz – genügt bei weitem nicht:

gfs-ger-data

dazu noch, auf Bundesebene in diesem Quartal, «Fortpflanzungsmedizingesetz» – Abstimmungsresultate siehe Statistik Schweiz: Eidgenössische Volksabstimmungen 2016 (bfs.admin.ch)

Author: vjr

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